Die ultimative Tütenfahrt

 

  Ein Bericht von Thomas Steinert

Wir schreiben den 22.8.03 und es ist 13.30 Uhr. Die Abfahrt in Ladenburg beginnt fast pünktlich, die Stauprognosen für die A6 sind dagegen eher erschreckend.

Das Spiel der Adler gegen Köln an diesem ersten Turniertag des „Mercure-Cup“ beginnt um 16 Uhr. Wir wollen der A6 zumindestens bis Sinsheim entgehen und kurven durch die dunkelsten Orte des (H)Odenwaldes vorbei an Trollen und Feen. Unterwegs sehen wir hübsche Mädels, die Ihre Hunde Gassi führen und da ist er, der erste Schrei von der Rückbank aus dem Munde Holger Haub’s: „Tüüüde“ (oder auch Tüten auf hochdeutsch). Verständlicherweise muss hier erklärt werden, dass mit Tüüüde nicht die Oberweite einer Frau gemeint ist, sondern die Frau als Ganzes.

Matze und ich werden vom Tütenvirus infiziert und helfen Holger bei der Ausschau nach ebendiesen.

Inzwischen rasen wir auf der A6 mit 50 km/h dahin und sind optimistisch wenigstens noch Drittel 2 und 3 zu erleben. Bis Crailsheim läuft es nicht wirklich gut und Bobby fragt hilfe suchend nach seiner Trommel, die bei uns im Kofferraum verstaut wurde, damit er in Nürnberg loslegen kann.

Wir fahren die letzten Kilometer der A6, als wir erfahren, dass im ersten Abschnitt des Spiels noch keine Tore gefallen waren. Wir kaufen uns für 13 € eine Eintrittskarte für beide Spiele (ein fairer Preis, wie ich finde) und begeben uns in den Gästeblock. Das zweite Drittel hat gerade begonnen. Mit der Trommel im Gepäck werden wir von den doch für diese Uhrzeit zahlreich angereisten Adler-Fans mit einem freundlichen „Jetzt geht’s los“ begrüßt. Das Banner wird von irgendjemanden aufgehängt und wir können loslegen.

Die Kölner Fans bieten sehr gut Paroli und feiern ihr Team trotz der Niederlage ausgiebig. Die Stimmung auf unserer Seite ist ok, wenn auch nicht überragend. Mit einem 3:1 und einem verlorenen Penaltyschiessen, verlassen wir die Arena zu Nürnberg und begeben uns auf den Weg nach Regensburg oder in Fachkreisen auch „Tütenburg“ genannt. Mit Jörg (der ollen Kamelle), wollen wir uns dort treffen und uns gemeinsam das Vorbereitungsspiel der Eisbären von der Donau gegen seinen ESC aus der sächsischen Landeshauptstadt ansehen.

Nachdem der Spielbeginn von 18.30 Uhr auf 20 Uhr verlegt wurde, kommen wir rechtzeitig und ohne große Hetzerei an der Donauarena an. Die ersten „Tüüüde“-Rufe von Holger lassen uns erahnen, dass heute nicht nur großer Sport geboten wird.

Die Arena ist nett anzusehen. Auch von innen macht sie einen guten Eindruck. Lediglich die Stehplätze des Gästeblocks sind ganz oben in die Ecke gezwängt und nur in kleiner Anzahl vorhanden. Zum ersten Mal sehe ich hier, das ein ganzes Spielfeld mit Netz umspannt ist. Irgendwie ungewohnt. Für ein Testspiel haben sich doch beachtlich viele Dresdner im Gästeblock eingefunden.

Wir bringen unser Vollstrecker-Banner an und gesellen uns zu den Fans der Eislöwen und Jörg, der mit einem dicken Grinsen bereits auf uns wartet.

Ich drehe noch mal eine Runde durch die Arena und da läuft mir Jiri Lala über den Weg, der mich allerdings nicht mehr erkennt. Noch im Februar hatte er mir beim Benefizspiel der Eagels aus Ayr in Schottland sein Spielertrikot geschenkt. Abends hatten wir zusammen in der Hotelbar gesessen und viel gelacht. Ich gebe allerdings zu, dass er doch schon ein paar Bierchen weg hatte.

Zurück zum Spiel. Die Regensburger waren einen Tick besser und gewannen das Spiel letztendlich verdient mit 2:1. Dresden war im letzten Drittel zwar stärker geworden, aber es reichte am Ende nicht mehr für den Ausgleich. Die 60 Dresdner waren einige Mal quer durch die Arena zu hören und auch die Gastgebenden Eisbären konnten sich teilweise bemerkbar machen. Alles in Allem war es aber ein typisches Testspiel vor einer eher zurückhaltenden Kulisse. Laut wurde es allerdings, wenn der Stadionsprecher die Zweit-Liga-Zwischenresultate vorlas, bei denen am Ende eine 0:4 Schlappe von Jahn Regensburg gegen Lübeck stehen sollte. Also Fußball und Eishockey scheint sich dort auch nicht wirklich positiv gegenüber zu stehen.

Nachdem wir uns nun wirklich alle „Tüüüden“ in der Halle genauer angesehen hatten, verabschiedeten wir uns von Jörg und Anhang, hielten noch am Mc Donalds, bevor wir die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit in Form eines Zeltplatzes starteten.

Wir wollten zuerst auf einen Campingplatz außerhalb von Regensburg, aber nachdem wir den irgendwie verpasst hatten, fuhren wir einfach wieder Richtung Nürnberg. Nach ein paar Ausfahrten und einigen Landstraßenkilometern fanden wir einen Zeltplatz irgendwo in der Oberpfalz. Wir parkten draußen und schleppten unsere Sachen durch den, um diese Zeit unbewachten Eingang, und machten uns daran unser Zelt im Dunklen aufzubauen. „Tüten-Gott“ Holger musste mit einem Blasebalg seine Luftmatratze aufpumpen und ich muss gestehen, es war ein verdammt peinliches Geräusch. Auch ca. 50 Meter entfernt klang es, als ob ein 80jähriger Mann auf seiner Feundin liegt und unter schwersten Atemproblemen versucht, seine Manneskraft zu beweisen.  Nach einer halben Stunde kam Holger zum „Höhepunkt“ und damit endlich zum Ende. Wir verkrochen uns in unsere Schlafsäcke und ließen uns am nächsten Morgen von ca. 50 Grad im Zelt sanft aus unseren Träumen reißen.

Wir bauten die Zelte ab und versuchten den Hinterausgang zu benutzen, um möglichst viel Bares zu sparen. Am Auto kam aber der Schock: Ein Zettel mit der Bitte sich an der Rezeption zu melden. Mist.

Matze nahm das allerdings in die Hand, ging rein, erzählte er wäre mit seiner Freundin erst weit nach Mitternacht gekommen, hätte sein Auto ja draußen geparkt und jetzt (so kurz nach 9 Uhr) schon wieder vom Platz verschwunden. Im Endeffekt haben wir Dank Matze also die Hälfte gespart.

Über einen Dorfsupermarkt ging es dann noch zu einem ausgiebigen Frühstück in einen Mc Doof. Es war kurz nach 11 Uhr, als wir ihn betraten und sich mein Magen auf ein leckeres Mc Croissant freute. Ich bestellte und wurde von der Bedienung angesehen, als ob ich klein und grün wäre und gerade Kaktuseintopf mit afrikanischem Antilopenfleisch bestellt hatte. Es dauert ungefähr 15 Sekunden, bis sie sagte, dass es ab 11 Uhr kein Frühstück mehr geben würde. Ich schaute auf die Uhr, dachte ich müsste mal kurz explodieren und machte mich mit einem „Na dann halt nicht“ zum Ausgang.

Nach diesem wenigstens gesundem „Mc Nix Menü“ machten wir uns auf den restlichen Weg nach Nürnberg, wo am Nachmittag die Adler ihr zweites Spiel des Mercure-Cup austragen durften.

Wir kamen so früh an, dass wir nach kurzer Überlegung, noch in das hinter dem Frankenstadion befindliche Freibad, gingen.

Das Wasser war schweinekalt und wir haben alle drei noch nie so viele übergewichtige Menschen auf einem Haufen gesehen. Der glatte Wahnsinn. Ab und zu gab es von Holger auch ein paar „Tüüüde-Rufe“ zu vernehmen, aber ansonsten war nicht wirklich was geboten.

Nach unserem Bad trafen wir dann auf Jochen, Nina und Markus, die an diesem Samstag angereist waren. Weiter Adler-Fans folgten und wir sahen dem Spiel gegen Sparta Prag stimmungstechnisch positiv entgegen.

Der Mannheimer Block war recht gut gefüllt. Die zwei Schwenkfahnen wurden postiert und langsam füllte sich auch die Arena ein wenig. Am Ende werden es wohl 1500 – 2000 Zuschauer gewesen sein.

Mit einer Trommel, zwei Schwenkern und einigen Doppelhaltern starteten wir einen richtig guten Support. Wir unterstützen die Mannschaft und feierten einfach eine Party.

Die Adler gewannen das Spiel verdient mit 2:0 gegen den tschechischen Meister. Die letzten Minuten wurde „You’ll never walk alone“ durchgesungen und dazu Doppelhalter und Schwenkfahnen benutzt. Ich muss zugeben, dass das Spiel nicht länger hätte dauern dürfen, sonst wäre mir wohl die Hand angefallen. Nach einer Weile wird so ein Schwenker nämlich richtig schwer.

Die Mannschaft bedankte sich mit einer Welle und auch Shulmistra ließ sich für seinen Shoot-Out feiern.

Wir verließen die Halle und Nina, Jochen und ich machten uns auf den Heimweg. Auch Patrick, der irgendwann im zweiten Drittel auftauchte fuhr zurück, da er am nächsten Tag arbeiten musste. Matze, Markus und Holger blieben noch zum Abendspiel in Nürnberg.

Ob Holger noch an dem Abend im Tütenrausch war, entzieht sich meiner Kenntnis.

Schön war es trotzdem, Ihr Tüüüüden.