24-Stunden-Trip nach Riga

 

  Ein Bericht von Thomas Steinert

Wir waren gerade erst aus Amiens von der B-WM gekommen als es nur vier Tage später für gut 24 Stunden nach Riga gehen sollte. Mit Thorsten zusammen hielt ich nach einem günstigen Flug in die lettische Hauptstadt Ausschau. Auf der Seite von Ryanair konnten wir den Hinflug am Freitag für knapp 30 € bekommen und das Ticket zurück gab es für schlappe 49 Cent. Aber natürlich ist das nicht der komplette Preis und so zahlten wir noch mal das Gleiche für Steuern (die sind in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen) und lagen damit bei einem Komplettpreis von knapp 62 €. Sorgen über Karten machten wir uns nicht, denn wir rechneten an diesem Tag zumindestens mit Tickets für das Spiel Italien gegen die Schweiz in der kleineren Skonto-Arena.
Bereits am Donnerstag waren Chango, Matze und Holger mit dem Flieger nach Riga gestartet. Ersterer war auch der, der eine bezahlbare Ferienwohnung im Stadtzentrum besorgt hatte, denn mit der Weltmeisterschaft zogen auch die Hotelpreise in ungeahnte Höhen. Bis 300% Aufschlag waren keine Seltenheit.
Wir starteten am Freitag um 14.30 Uhr im idyllschen Ladenburg und machten uns auf den Weg in die pfälzische Pampa um das Flugzeug um 18.45 Uhr zu bekommen. Die Fahrt verlief trotz wundervollem Wetter und vorwochenendlichem Verkehr ohne Stau. Untwerwegs erreichte uns die Bitte aus Lettland man hätte keinen Zimt zum Tequila und ob wir nicht noch was mitbringen könnten. Häää? Tequila in Lettland? Ich schlepp doch auch keinen Wodka mit nach Mexico. Leicht verwirrt bogen wir von der Hauptverkehrsstraße zwischen Autobahnausfahrt Rheinböllen und Flughafen Hahn in ein Dorf unserer Wahl ab und besorgten im nächstgrößten Supermarkt das gewünschte Gewürz.
Wir kamen rechtzeitig am Flugplatz an, parkten etwas weiter von der Abflughalle entfernt und klebten noch den ein oder anderen Vollstrecker-Aufkleber in die karge Landschaft. Viel Gepäck hatten wir nicht bei uns. Warum auch? Für 24 Stunden braucht man nicht viel und Bettwäsche war in der Ferienwohnung auch teilweise vorhanden. Grund für die Mitnahme der wenigen Utensilien, war einerseits die Aufenthaltslänge, andererseits spekulierten wir darauf, eventuell Samstag Abend noch die Arena Riga zu besuchen und wären dann mit unseren Taschen und einem Taxi direkt aus der Halle an den nahen Flughafen gefahren.
Ganz vorne am Ryanair-Schalter standen zwei uns bekannte Damen aus Bad Nauheim, die wild mit dem Typen hinter dem Schalter rumdiskutierten. Grund war, dass die Fluggesellschaft neue Richtlinien eingeführt hatte und die Mädels zuviel Gepäck dabei hatten. Gut sie blieben auch 10 Tage in Riga, aber nachdem wir in Koffer Nummer Drei sehen durften, der randvoll mit diversen alkoholischen Getränken war (ich schließe nicht aus, dass auch ein O-Saft in diesem Gepäckstück weilte). Da wir ja jeder nur eine Tasche dabei hatten und die nicht aufgegeben wurde, konnten wir uns das Gepäck der Mädels teilen. Somit wurden die Gesichter der Beiden auch von Minute zu Minute entspannter.

Die Stewardessen hatten an diesem Abend nicht wirklich viel Spaß und sahen schwer genervt aus. Also eigentlich wie immer. Der Flug war nach etwas mehr als zwei Stunden schon vorbei. Thorsten versuchte mit einer rythmischen Gesichtsgymnastik die Ohren wieder frei zu bekommen, während die Maschine noch mal eine Stunde über das Rollfeld fuhr. Jedenfalls kam es mir ewig vor. Wir verließen das Flugzeug und wurden gleich von einer SMS mit dem Text „Welcome to Latvija – country of hockey“ begrüßt. Bereits am Flughafen überall Hinweise auf die Weltmeisterschaft, sei es als Bild auf dem Boden oder als Werbung im Gebäude.
Mit einem gepflegten Lächeln ging es an den Gepäckbandfetischisten vorbei, direkt zum Ausgang. Die Türe ging auf und vor uns die wartende Menschenmasse, die am Flughafen recht häufig sind. Gleich in der ersten Reihe mindestens sechs, sieben verdammt hübsche Mädels. Wegen uns waren die aber leider nicht da. Dann der Blick scharf links auf zwei sehr bunt angezogenen Menschen mit lauten Stimmen. Im Trikot, mit kleinen Fähnchen und geteilten sechs Promille standen Chango und Matze vor uns und begrüßten uns in Lettland. Ein Bild für die Götter. Auf dem Weg zum Taxi hatten wir bereits gut 25 mal die Möglichkeit die „Sehenswürdigkeiten“ des Landes zu begutachten. Unglaublich was da einem an vielen hübschen Frauen geboten wurde. Chango riet mir nicht in die Stadt zu gehen, wenn ich hier schon „zuviel“ kriegen würde.
Ok, ab ins Taxi. Der Fahrer wartete aber auf jemand und somit mussten wir alle wieder raus, ehe er uns mitteilte, dass sich seine eigentliche Fuhre gerade erledigt hätte. Also wieder rein und angeschnallt.
Ohne direkten Umweg ging es zur Ferienwohnung in einem Hinterhof mitten im Zentrum der lettischen Hauptstadt. Der letzte fehlende Vollstrecker war Holger. Er vertiefte gerade die Bekanntschaft vom Nachmittagsspiel Finnland gegen Slowenien. Mir ist zwar schleierhaft wie man das als Anti-Alkoholiker in einer Gruppe von finnischen Fans aushält, aber er sah gesund und munter aus, als wir Ihn später trafen.
Das Taxi lieferte uns direkt vor der Ferienwohnung ab und Chango präsentierte uns stolz „seine“ Unterkunft. Wie schon in Prag hatte er beim buchen auch dieses Mal das richtige Näschen gehabt. Eine frisch sanierte und recht geräumige Zwei-Zimmer-Wohnung lachte uns entgegen und auch die drei Erotikkanäle wurden uns gleich präsentiert. Sind wir doch mal ehrlich: Grenzt das nicht schon fast am Paradies? 60% Frauen in der Stadt (davon viele hübsch bis sehr hübsch), Eishockey, günstiges Essen + Trinken und Eishockey. Nachdem der mitgebrachte Zimt noch geköpft wurde und wir mit mexikanischem Brunnenwasser aus Tequilaflaschen anstießen, machten wir uns in die naheliegende Altstadt.
Die Letten konnten an diesem Abend ein sensationelles 1:1 gegen die Tschechen feiern und versetzten die Stadt in Feierlaune. Abgesehen davon, dass ich dieser dämlichen Tröterei schon in Prag rein gar nichts abgewinnen konnte, machte das hier beim beobachten richtig Spaß. Überall wurden Fahnen geschwungen und „Latvija“ geschrien. An einem Monument direkt am Anfang der Altstadt zentrierte sich das Ganze. Überall feiernde Letten und zwischendrin unzählige andere Trikots, vorallem aber skandinavische.
Jetzt wusste ich was Chango am Flughafen gemeint hatte. Was hier jetzt an wirklich hübschen Frauen unterwegs war, kann man nicht in Worte fassen. Schaute man einer hinterher, hatte man schon wieder drei Andere verpasst. Dazu kam eine sehr ungewöhnliche Mode und Röcke waren hier lediglich Gürtel. Auch schien es mir so, als ob es für Frauen in Riga tabu sei, nicht mindestens 10 Zentimeter Absatz zu tragen. Ein kleiner Tipp: Solltet Ihr eine eifersüchtige Freundin haben, fahrt niemals mit Ihr nach Riga! Das ist besser für Euch und Eure Beziehung!
Wir ließen uns in einem Straßencafe nieder und genossen erst mal die Atmosphäre, die „Sehensüwrdigkeiten“ und das ein oder andere lettische Getränk. Nadine und Dani aus Bad Nauheim hatten wir unterwegs noch aufgelesen und die trafen in diesem Cafe gleich mal bekannte Schweizer wieder. Die Welt ist wirklich klein, dachte ich noch so bei mir, bevor Christian Rotter vom Mannheimer Morgen auf mich zukam.
Chango kam nach unzähligen diversen alkoholischen Getränken auf die Idee man könnte doch mal duch die Altstadt laufen. Warum nicht, dachte ich mir. Schließlich wollte ich ja auch was von Riga sehen. Bevor es losging besorgte er uns jeweils noch ein Glas Champagner für 2,50 € das Glas. Wir kamen ungefähr 35 Meter bevor wir von einer jungen Dame mit tiefem Dekoltee angehalten wurden Ihren Club zu besuchen. Man musste nicht lange überlegen um was für eine Art „Club“ es sich handelte. Chango war natürlich hellauf begeistert und machte einen gratis Blick in das Etablissement klar. „Only a look for free“ höre ich jetzt noch in meinen Ohren. Wir folgten der Dame in die dunkelste Gasse der Umgebung und betraten den winzigen Schuppen. Vorbei an einem mächtigen Türsteher. Der Raum in dem wir standen war ziemlich voll und sehr klein. Rechts die Bar und links eine Sitzreihe auf der halb Finnland saß. Ich bezweifle, dass sie wussten wo genau sie sich befanden und wenn, dann wussten sie es am nächsten Tag eh nicht mehr. Hinter der Bar stand eine gutaussehende Dame (wie sollte es in Riga auch anders sein) und sah erst uns an, dann die Champgner-Gläser um schließlich den Türsteher anzumotzen. Scheinbar passte es Ihr nicht, dass wir unsere Getränke selbst mitbrachten. Er zuckte bloß mit den Achseln und unsere anlockende Versuchung merkte mittlerweile, dass wir wirklich bloß für einen Blick reinwollten und verlor das Interesse. Wir stiefelten wieder auf die Straße.
Es dauerte keine 30 Sekunden bis uns zwei junge Typen anhielten und Ihren Club vorstellen wollten. Ich wollte gerade „Nein“ sagen, als ich Chango schon wieder verhandeln hörte: „Only a look for free“.