Deutschland gegen die Schweiz

 

  Ein Bericht von Thomas Steinert

Es ist Dienstag Morgen um 8 Uhr. Irgendjemand kam auf die wahnwitzige Idee nach Prag zum Spiel der Deutschen gegen die Schweizer zu fahren. Noch wahnwitziger war allerdings, dass ich lediglich nach einer Woche „Aufenthalt in Deutschland“ schon wieder das Verlangen spürte in den „vorderen Osten“ zu reisen.

Es ist 8 Uhr an diesem Morgen, als Holger H. bei mir klingelt und mich dazu nötigt in sein Auto einzusteigen. Mit leerem Magen geht es nach Ketsch wo Frauenschwarm Don Löffel auf der Hinterbank Platz nimmt. Da der Mitsubishi eher für zwei Leute konzipiert ist, sieht das Einsteigen unseres Ketscher Urgesteins irgendwie lustig aus. Zwei Ecken weiter besuchen wir noch mal den Bäcker unseres Vertrauens um uns für die Fahrt einzudecken.

Es wird wohl gegen 9 Uhr gewesen sein, als wir uns endlich auf der A6 Richtung Nürnberg befinden. Das Wetter ist gut und auch die Autobahn ist lediglich auf der Gegenfahrbahn voll. Prima.

Wir kommen gut voran und gönnen uns und dem zerknautschten Rückbank-Löffel eine kurze Pause in der fränkischen Pampa. An Amberg vorbei müssen wir runter von der Autobahn um ein Stück die Landstraße zu nutzen, bevor wir über die A93 ein Stück nach Norden fahren, ehe wir dann noch mal die Oberpfalz per Feldweg erkunden und uns dann die letzten paar Kilometer wieder auf der A6 befinden.

Die LKW-Schlange ist enorm, aber wir können den Grenzübergang ohne Passkontrolle durchfahren. Direkt dahinter, auf der tschechischen Seite, erwerben wir für 7 Euronen eine 10-Tages Vignette und tauschen jeweils 1000 Cent in Kronen um. Zum Umtausch des Geldes gibt es einen Beleg dazu, der von Holger Haub fälschlicherweise für die Vignette gehalten wird.

Vor uns liegen noch ca. 200 Kilometer bis Prag. Die Freude ist groß, als man die zahlreichen Werbungen für die ansässigen Nachtclubs am Rande der Autobahn entdeckt. Leider stehen hier nicht die „Liebesdamen“ an der Straße und somit gibt es erst mal wenig interessante „Sehenswürdigkeiten“ zu bestaunen. Kurz vor Pilzen geht es noch mal auf die Landstraße bevor wir den restlichen Weg, auf der sehr gut ausgebauten und recht leeren Autobahn, in Angriff nehmen.

Durch meine ausgezeichnete Ortskenntnis, dem Folgen des „Centrum“-Schildes und einem kleinen Stadtplan kommen wir exakt dort raus, wo wir die ersten vier Tage in Prag übernachtet hatten. Das hieß: kostenlose Parkplätze, die U-Bahn direkt vor der Wagentür und eine Kneipe mit recht gutem Essen für wenig Geld für den Rückweg. Für umgerechnet 40 Cent kauften wir unsere Tickets für die Bahn und machten uns daran Richtung Sazka-Arena zu starten. Obwohl wir unter der Erde fuhren gab es auch hier jede Menge Sehenswürdigkeiten zu bestaunen. An jeder Haltestelle stieg mindestens eine ein. Prag ist wirklich schön.

Hier hätte man sich schon zahlreich verlieben können, aber wir waren ja wegen der Nationalmannschaft da und nicht wegen den Frauen. Zu erwähnen wäre vielleicht noch die Sehenswürdigkeit aus dem 21. Jahrhundert auf der parallel ebenfalls nach oben führenden 60-Meter Rolltreppe. Kurz die Sinne zusammenraufen und dann ab zu den Kassen.

Auf dem Weg zum Ticketschalter bekam ich von Sven eine Nachricht, dass Stefan uns bereits drei Tickets besorgt hatte. Sehr schön.
Was mich heute positiv stimmte, war die Tasache, dass ich noch nicht einen Letten gesehen hatte. Dafür tröteten jetzt einige Deutsche und massig Tschechen durch die Gegend.

Stefan war gleich gefunden und so konnten wir dann für 20 €uronen unsere Karten in Empfang nehmen. Da die Halle schon offen war, betraten wir diese, natürlich nicht ohne die übliche „Schwerverbrecher-Absuch-Maschinerie“ der Ex-Kommunisten. Fotos und andere Dinge waren immer noch verboten und ich freute mich an diesem Tag noch mehr als sonst, dass ich kein „Spliss“ hatte, denn wer weiß ob ich damit reingekommen wäre.

Verdammt, die Kurve hing schon voll mit deutschen Bannern. Was nun? Ich fragte bei einem Security-Mitarbeiter nach, ob wir es wieder über den Spielereingang hängen dürften. Die Antwort war natürlich nein. Der grund für mich nicht wirklich plausibel: „Die Schweizer Team laufen da ein und da nix hängen dürfen irgendwas aus Deutsland“. Ok, ab in die Kurve um zumindestens den letzten freien Platz zu retten und das „Vollstrecker“ hinter der Skodawerbung rausblinzeln zu lassen. Ich hatte den ersten Knoten gerade ans Geländer getackert, als scheinbar der Ober(depp)chef kam und mir das untersagte. Nachdem da aber die gesamte WM das Banner der SERC-Supporters hing, wurde ich aber neugierig und fragte nach. Mittlerweile war sein Deutsch aber so schlecht geworden, dass er mich nicht mehr verstand. Ich gab noch einige freundliche Wörter in deutsch und englisch von mir, werde die hier aber aus jugendgrundtechnischen Dingen nicht noch einmal aufzählen.
Der „Himbeer-Tony“ (Oberchef) ging dann weiter in die Kurve hinter dem Skoda und hängt ein Banner nach dem anderen ab. Aha, der 4. Mai wurde in Tschechien also offiziell zum Bannerverbotstag ausgerufen.

Vor dem Spiel sprach ich noch schnell Christoph Ullmann an, der als einziger deutscher Spieler noch nicht umgezogen war. Er saß auf der Mannschaftsbank und sah nicht sehr glücklich aus, sagte aber das er wohl ab dem zweiten Drittel spielen dürfte. Meiner Aufforderung mal den Herrn Zach zu einem ernsten Gespräch aus der Kabine zu holen, kam er leider nicht nach.

Nach einem netten Plausch mit bekannten Gesichtern aus Mannheim, Iserlohn und sonst woher suchten wir uns unsere Plätze. Wir saßen in Reihe 10 am Anfang der Geraden zwischen Schweizern (vor uns) und Deutschen Fans (hinter uns). Die Halle war recht leer und ein die Blöcke hinter den Toren waren so gut wie gar nicht besetzt. Die deutschen Fans hinter uns war wohl ein zusammengewürfelter Haufen aus ganz Deutschland, die Akzente und Dialekte ließen zumindestens darauf schließen. Bis auf Krefelder Trikots konnte man die Leute nicht erkennen. Ein Frankfurter in dieser Reihe musste uns noch mitteilen, dass die Lions dieses Jahr Meister wurden. Danach faselte er etwas von der SGE und sang irgendwelche Eintrachtlieder. Am Ende der Reihe saßen dann noch zwei Nasen, die voller Inbrunst in Ihre neu erworbene Tröte pusteten, als ob man da was hätte gewinnen können, und danach sowohl von schweizer als auch von deutschen Fans besungen wurde „Tröten sind Scheisse...“

Nach dem ersten Drittel wechselten wir unseren Sitzplatz. Wir entschieden uns in die Kurve zu gehen, wo sich bereits ein größerer Haufen deutscher Fans versammelt hatte. Mittendrin unserer neue Lieblings-Security-Oma. Wir nannten sie kurzerhand Olga. Olga hatte Spaß daran Leute zu schikanieren, denn sie durchlief den Block wie ein Bullterrier auf der Suche nach den Karten der deutschen Fans, die sich da versammelten. Ein paar hatten wirklich Karten, der Rest sollte aber raus. Unter anderem auch Holger und Löffel, die von „Ein-Meter-Zwanzig-Olga“ aus dem Block verwiesen wurden. Mich sprach sie allerdings nicht an und so musste ich mich dem „Kommunisten-Alf“ keiner Diskussion hingeben. Bei einem Nauheimer wurde sie dann wirklich fündig und der musste sich dann auf seinen regulären Platz setzen. Dieser war ungefähr 3,80 m von uns entfernt, also direkt im menschenleeren Block nebenan.

Nachdem uns Drittel 1 nicht wirklich mit hochklassigem Eishockey verwöhnte, fiel jetzt wenigstens mal ein Törchen. Zu dumm nur, dass es nicht das richtige Team war, das traf.

Die Drittelpause war dann wirklich noch mal ereignisreicher als das gesamte Spiel der deutschen Mannschaft. Ich stellte mich oben an den Ausgang um schnell mal zu telefonieren, als unserer kleiner „roter“ Teufel Olga sich an mich heranpirschte, um mir mitzuteilen, dass ich draußen weiter meiner Gesprächssucht nachgehen müsste. Da ich keine Karte für diesen Block hatte beendete ich kurzerhand das Gespräch und setzte mich unter einigen „netten“ Worten für meine Olga wieder auf meinen Platz. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie irgendwie aussah wie ein oben aufgeplatzter Tampon. Nach außen hin nicht erkenntlich, ob voll oder nicht, aber im Inneren bestimmt „tiefrot“. Allzeit bereit, immer bereit!

Unsere Mannschaft kam wieder aus der Kabine und spätestens beim Blick in die Gesichter hätte man davon ausgehen können, dass dieses Spiel bereits verloren war. Da war keine Emotion zu sehen. Nur hängende Köpfe und das bei einem Spielstand von 0:1!
Genauso war es dann auch. Die Eidgenossen gewannen das Spiel nicht unverdient.

Nach dem Spiel ging es wieder ins Festzelt, während Holger sich von Ralle noch eine Karte für das Abendspiel schenken ließ. Allerdings wollte er sich das Spiel nicht ansehen, sondern kaufte sich am Stand in der Halle nur einen Torhüter-Helm, den es in Deutschland so nicht mehr zu kaufen gibt.
Nach dem Kauf des Helmes wollte er die Halle wieder verlassen und auch in diesem Falle waren die Security-Nasen heillos überfordert. Nachdem sich insgesamt 5 Leute Holgers Problem annahmen und erst mal den Chef anriefen um zu fragen wie man Ihn jetzt aus der Halle bekäme, fand man doch noch eine Lösung.

Wir verabschiedeten uns noch bei den Anwesenden bevor wir mit der Bully-Tor-WM-Fraktion in die U-Bahn stiegen. Auch hier gab es bis zum aussteigen noch 534 mal die Gelegenheit sich zu verlieben. Löffel tat es zumindestens einmal richtig und war auch später noch ganz hin und weg.

In der Kneipe „Nagano 98“ nahmen wir noch ein „letztes Abendmal“ zu uns, bevor wir die „Stadt der Frauen“ verließen. Die Mondfinsternis an diesem Abend begleitete uns noch ein ganzes Stück, bevor wir bei Regen irgendwann wieder in Deutschland wieder eintrafen. Ab dem Kreuz Crailsheim wird meine Erinnerung schwach, denn der Schlaf hat mich überrumpelt.

Nach dem Absetzten von Löffel in Ketsch waren wir nach 1200 Kilometern, einem Scheiss-Spiel und jeder Menge hübschen Frauen wieder in Ladenburg. Sensationelle Fahrt. Ich danke meinen beiden Mitfahrern für eine schönen Tag.

Prag, wir kommen wieder. Aber nur wenn kein Eishockey mehr ist!