Die Waffel-Tour

 

  Ein Bericht von Steffen Lucas

...oder:

Warum Eishockey-Spiele in der Schweiz ab und zu nur zwei Drittel dauern...

Wie immer fing alles ganz harmlos an: Es begann damit, dass ein Berliner Eishockeyfan, der dem regelmäßigen Leser dieses Forums unter dem Namen "Preussenguido" bekannt sein dürfte, in einem anderen Eishockey-Forum seine Wochenendplanungen darlegte. Unter anderem stand das Spiel Kloten - Fribourg in der Schweizer NLA auf dem Programm. (Nicht nur) mein Interesse war geweckt. Allein die Aussicht, Guido zum ersten Mal seit Helsinki mal wieder zu sehen, war Grund genug. Weitere Verrückte waren schnell gefunden: Die Vollstrecker Thomas und Thorsten, sowie Löffel. Letzterer zickte erst mal ein wenig rum. Ihm wäre das Spiel Basel - Zürich lieber gewesen. Angeblich wegen eines neuen Grounds, aber das nehm ich ihm nicht so ganz ab.

Schließlich aber ließ er sich doch breit schlagen. Und nicht nur das: Aus diversen einschlägigen Schweizer Internetseiten bastelte er ein Rahmenprogramm bestehend aus drei Schweizer Damenspielen um die Partie. Nach einigem Hin und Her einigten wir uns auf folgendes Programm:

  • 11:00 Basel - Weinfelden (2. Schweizer Damenliga)
  • 12:45 Wettingen-Baden - Basel II (3. Schweizer Damenliga)
  • 16:00 Kloten - Fribourg-Gottéron (NLA)
  • 20:00 Langenthal - Biel (2. Schweizer Damenliga)

4 Spiele an einem Tag also. Jetzt wird so manchem auch klar werden, woher der Arbeitstitel "Waffel-Tour" für unseren sonntäglichen Ausflug kommt. Wer sowas tut, muss einen an der Waffel haben (wissen wir ja schon lange), aber es geht tatsächlich noch verrückter und den Beweis sind wir gestern nicht schuldig geblieben. Aber der Reihe nach...

Der Sonntag morgen beginnt mit einem Schock: Verpennt! Aber gottseidank nur eine Viertelstunde, so dass ich ohne einen obligatorischen Verfahrer in Ladenburg fast noch pünktlich bei Thomas angekommen wäre. Von dort aus fährt dann Thorsten weiter. An dieser Stelle gleich mal ein dickes Dankeschön dafür, dass er sich als Fahrer bereitgestellt und uns gut und sicher durch die Gegend chauffiert hat. Ganz großer Fahrsport! In Ketsch wird dann Löffel aufgegabelt (nettes Wortspiel), bevor es dann endlich wirklich Richtung Schweiz geht. Auf der Fahrt unterbreitet uns Thomas einen ersten Vorschlag zu einer Planänderung: Statt des 3. Damenspiels am Abend in die 3. Herrenliga nach Delémont? Wir stimmen zu. (Da sich Thomas aber später doch nicht ganz sicher ist, ob dort wirklich um 20:15 ein Spiel steigt, muss ich Böttcher mit der Bitte nerven, für uns im Internet zu recherchieren. Auch hierfür ein Dankeschön!) Die Fahrt verläuft ohne besondere Zwischenfälle mit zwei kurzen Pausen (Kaffeetanken, Vignettenkauf und Geldwechsel).

Obwohl von uns noch niemand im Stadion in Basel St. Margarethen war, finden wir es dank Thorstens ausgezeichneter Wegbeschreibung auf Anhieb. Das Stadion "Kunschti" (wie süß!) fasst 4000 Zuschauer und erinnert mich ein klein wenig an ans CFS in Augsburg. Das Spiel zwischen Basel und Weinfelden verläuft recht einseitig (Endstand 10:0, wobei wir das Ende aus Termingründen nicht gesehen haben). Eine Spielerin hat es unserem Löffel besonders angetan. Aber irgendwie stimmen wohl die Rückennummern bei den Baslerinnen nicht so ganz. Jedenfalls sucht er auf der Basler Homepage zur Stunde immer noch vergeblich nach Ursula Montella... Ob's an Ursula Montella liegt, weiß ich nicht, aber ein klein wenig daneben ist er schon und es entwickelt sich folgender Dialog, als Löffel einen aufgesprühten Schriftzug entdeckt: "Kölsche Eh Zeh Ka - sagt Dir das was?" "Löffel, das heißt Eck!"

Von Basel aus geht es weiter nach Wettingen (liegt auf der Strecke zwischen Basel und Zürich). Unterwegs bekommt Löffel einige SMS von einer leicht schmollenden Caro, die uns lieber in Basel beim Spiel gegen ihren ZSC begrüßt hätte. Aber man kann halt nicht alles haben (oder doch?) Guido und Andy aus Frankfurt sind bereits vor uns am Freiluftstadion Tägerhard eingetroffen. Außer den beiden Extremgroundhoppern erwartet uns herrliches Wetter. Wenn Engel reisen... Eishockey wird auch gespielt, auch wenn wir wenig davon mitbekommen. Schließlich gibt es ne Menge zu erzählen. Am Ende steht ein 2:2 zwischen den Gastgeberinnen und Basels zweiter Garnitur. Von Wettingen nach Kloten ist es nicht mehr weit und so kommen wir mehr als pünktlich am Schluefweg an.

Teil 3 unserer Waffeltour steht an. Das Stadion in Kloten kennen wir zum Teil von einem Vorbereitungsspiel der Adler im vorletzten Sommer. Über das damalige Endergebnis hüllen wir am besten den Mantel des Schweigens. Und über die Heimfahrt besser auch... Das Spiel zwischen den Flyers und Fribourg finde ich persönlich gar nicht so schlecht, wobei uns in der NLA schon bessere Kost geboten wurde. Nichtsdestotrotz entschließen wir uns schon während des ersten Drittels, unsere vierteilige Tour um eine Station zu erweitern. Da das Spiel in Zürich wegen des Umbaus nach einer Veranstaltung in der St. Jakob Arena etwas später angefangen hat als die übrigen Spiele, können wir es schaffen auch dort noch zwei Drittel mitzunehmen. Gesagt, getan. Beim Spielstand von 1:0 für Kloten verlassen wir den Ort des Geschehens. Wie ich von Guido später erfahre, drehen die Gäste das Spiel durch zwei Tore im Schlussdrittel noch...

Tatsächlich kommen wir genau zur ersten Drittelpause in Basel an, wo es 0:1 für die Gäste aus Zürich steht. Und natürlich ist es Caro, die uns in der Halle als erstes über den Weg läuft und nicht schlecht staunt. Natürlich haben wir ihr nichts von unserem Vorhaben verraten. In der Halle treffen wir noch einige andere Mannheimer (teilweise auch hier im Forum aktiv), die es sich nicht nehmen ließen, Jan Alston einmal wieder in Aktion zu sehen. Apropos Alston: Er hat mit zwei Assists und einem Empty Net Goal maßgeblichen Anteil am 3:0-Sieg des ZSC. Ein eher glanzloser Sieg in einem Spiel, das mich ansonsten nicht wirklich mitreisst. Viel eher haut mich die Begegnung mit einem Züricher Fan vom Hocker. 1. Frage: "Bist Du wegen Alston hier?" 2. Frage: "Kennst Du Sven?" Sachen gibt's! Aber es soll nicht zum letzten Mal sein, dass ich an diesem Abend sprachlos bin... nach dem Spiel verabschieden wir uns von Caro bis zum nächsten Samstag und machen uns auf den Weg nach Delémont.

Da dieser Abstecher recht kurzfristig geplant war, liegt uns keine Wegbeschreibung zur Spielstätte vor. Dennoch ist das Sportzentrum gut ausgeschildert und wir sind rechtzeitig am Stadion, unser zweites Freiluftstadion an diesem Tag. Hier erwartet uns ein Kuriosum: Da beide Clubs in ihren Trikots überwiegend gelbe Farben haben, hat die gastgebende Mannschaft ihr Trikot gewendet. Bisher habe ich sowas nur von enttäuschten Eishockeyfans gesehen, die dem Frust über ihr Team damit Ausdruck verleihen wollen. Das Spiel überrascht uns ob seiner guten Qualität. Die 3. Schweizer Liga lässt sich durchaus anschauen. Dennoch beschließen wir, uns nach zwei Dritteln und dem Spielstand von 3:1 (Endstand zwischen Delémont und Courrentlin im übrigen 5:1) vom Acker zu machen. Schließlich liegen noch ca. 300 km Heimreise vor uns. Aber einmal mehr kommt es erstens anders als man zweitens denkt...

Auf dem Weg zurück nach Basel müssen wir durch den Ort Laufen und Thomas' geschultem Blick entgeht ein Bauwerk rechts von der Straße nicht. Und aus dem Gebäude scheint noch Licht. Das wird doch nicht eine Eishalle sein? Doch - ist es! Und warum brennt da noch Licht? Blöde Frage: Weil da noch Eishockey gespielt wird. Laufen - Fischbach-Göslikon, ein Spiel der 4. Schweizer Liga. Damit ist das halbe Dutzend voll. Und diese letzte Station soll das absolute Highlight werden. Kaum hängt das "Vollstrecker on Tour"-Banner am Geländer, schaut ein Spieler der Gastgeber zu uns nach oben und ruft erfreut: "Groundhopping!" Kennen die uns hier denn schon? Auch dieses Spiel ist schön anzuschauen. Obwohl beide Teams nur über einen spärlichen Kader verfügen, gehen sie bis zum Schluss ein hohes Tempo. Endstand 7:4 für Laufen und nach dem Spiel geschieht das Unglaubliche: Der Spieler mit der Rückennummer 19, der unser Hobby vorher so gut erkannt hatte, verlässt das Eis mit einer eindeutigen Geste: Der Daumen der Hand zeigt zum Mund. Die restliche Hand ist bis auf den abgespreizten kleinen Finger zur Faust geballt. Der wird doch nicht...? Tatsache! Wenige Minuten nach dem Spiel steht er mit einem Karton Bier unterm Arm bei uns, drückt uns jedem eine Pulle in die Hand und quatscht mit uns. Ganz großer Sport! Zum Abschied bekommen wir als Wegzehrung jeder noch eine Flasche von ihm mit. Und so wird zukünftig in der Sammlung meiner Eishockey-Souvenirs auch eine Flasche Feldschlösschen ihren festen Platz haben. Und diesen netten Sportsmann habe ich wohl kaum zum letzten Mal in meinem Leben gesehen...

Nach diesen bleibenden Eindrücken machen wird uns aber wirklich auf den Heimweg. An der Grenze werden wir noch kurz aufgehalten. Wer schon öfter mit mir in der Schweiz war, kann sich wohl denken warum, dem Rest lasse ich für Spekulationen freien Raum. Noch eine Rast beim Burger King und dann geht's endgültig in die Heimat. Völlig kaputt falle ich irgendwann nach 2 Uhr nachts in mein Bett. Aber ich bereue nichts. Unter vielen schönen Hockeytouren wird diese sicher unvergesslich bleiben...

So - ich hoffe ich hab nicht allzuviel vergessen. Achja - eins noch: Danke an alle, die diesen Tag zu dem gemacht haben! Es war hoffentlich nicht der letzte gemeinsame Trip...